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Stellungnahme der vdj zum Referentenentwurf für eine Reform des Arbeitszeitrechts
Sirkka Schrader • Sept. 01, 2023

Deutliche Kritik


Der Arbeitskreis Arbeitsrecht des Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (vdj) hat kürzlich zum Gesetzesentwurf für eine Reform des Arbeitszeitgesetzes vom 18.04.2023 (Referentenentwurf mit Stand 27.03.23) Stellung genommen. Zwar begrüßt der Arbeitskreis, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nun aktiv geworden ist, übt am Gesetzesentwurf aber auch deutliche Kritik, da der Entwurf weit hinter den Vorgaben des EuGH (C-55/18-CCOO vom 14.05.2019) zurückbleibe. Hauptpunkte der Kritik sind dabei:


  • Der Referentenentwurf stellt nicht in ausreichendem Umfang sicher, dass die Zeiterfassung manipulationssicher erfolgt, da auch „die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme in Betracht“ kommen soll.


  • Der Referentenentwurf stellt nicht sicher, dass die Zeiterfassung für alle objektiv erfolgt, da er eine Tariföffnungsklausel enthält, nach der die Tarifvertragsparteien von den Regelungen des Referentenentwurfs abweichende tarifliche Regelungen treffen können, ohne dass sichergestellt ist, dass diese Regelungen ebenfalls den Vorgaben des EuGH und des BAG genügen müssten.


  • Auch andere Gesetze enthalten Regelungen zur Arbeitszeiterfassung (z.B. § 17 Abs. 1 MiLoG, § 19 Abs. 1 AentG, § 6 GSA-Fleisch). Sinnvoll wäre es gewesen, eine einheitliche gesetzliche Regelung zur manipulationssicheren Arbeitszeiterfassung für alle Branchen und Bereiche zu schaffen.


  • Im Referentenentwurf fehlt eine Verzahnung mit Ansprüchen auf Entgelt für geleistete Arbeit. Es wäre wichtig, manipulationssicher erfasste Arbeitszeiten als rechtssichere Grundlage für Überstunden- und Gehaltsprozesse usw. zu definieren und eine Beweislastumkehr zulasten der Arbeitgeber auszunehmen, die kein den Maßstäben von EuGH und BAG entsprechendes Zeiterfassungssystem eingeführt haben.


  • Es dürfte keine Ausnahmen von der Zeiterfassung für einzelne Personengruppen geben, da Schutz vor Überforderung durch überlange und/oder ungünstige Arbeitszeiten ein Grundrecht für alle Arbeitnehmer*innen ist.


  • Der Referentenentwurf enthält lange Übergangs- und Ausnahmeklauseln für die Einführung elektronischer Arbeitszeiterfassungssysteme vor – und das bis zu fünf Jahre. Diese großzügige Bemessung der Übergangsregelungen konterkarieren den Arbeitsschutzgedanken, der Grundlage der Entscheidung des EuGH ist, die im Übrigen bereits 2019 erging.


Im Fazit heißt es:


„Fasst man die von der Rechtsprechung formulierten Argumente zusammen, ist für die Sicherstellung des gesetzlichen Arbeitsschutzes schon – und nicht erst in den nächsten Jahren - die Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Erfassung der individuellen Arbeitszeit unumgänglich.


Angesichts vieler auf dem Markt verfügbarer, auch in elektronischer Form verfügbarer „schlanker“ und kostengünstiger Arbeitszeiterfassungssysteme - etwa durch entsprechende einfach zu installierende Apps - werden auch kleine Betriebe durch einen Zwang zur Einführung dieser Systeme wirtschaftlich in keiner Weise überfordert. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass der Gesundheitsschutz nicht rein wirtschaftlichen Erwägungen untergeordnet werden darf (Erwägungsgrund 4 der Arbeitszeitrichtlinie). Das scheint der Gesetzgeber nicht nur bei der Festlegung der Übergangsfristen „vergessen“ zu haben.


Gesetzliche Regelungen dürfen nicht zur bloßen Disposition von Arbeitgebern oder auch Tarifvertragsparteien gestellt werden. Es braucht verbindliche, allgemein gültige und transparente Vorgaben. Dies ist der Auftrag an den Gesetzgeber. Dabei ist der oberste Grundsatz:


Gesundheitsschutz ist universell und entsprechend durchzusetzen!“

 

Wir teilen diese Einschätzung und hoffen auf entsprechende Nachbesserungen!


Die vollständige Stellungnahme des Arbeitskreises Arbeitsrecht der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. ist hier abrufbar. 

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