Arbeitsgericht Leipzig gibt Betriebsrat Recht
Das Arbeitsgericht Leipzig hat am 05.12.2024 (Az. 5 BV 61/24) eine Einigungsstelle zur Regelung eines Interessenausgleichs und Sozialplans eingesetzt, da die Arbeitgeberin ein System der digitalen Spracherkennung einführen und gleichzeitig Personal im Schreibdienst abbaunen wollte.
Der Fall
Die Arbeitgeberin, eine Klinik mit mehr als 400 Arbeitnehmer*innen, beabsichtigte die Einführung einer Software, die eine selbstlernende Spracherkennung beinhaltete. Dadurch sollten die Arztbriefe der Ärzt*innen direkt in das System diktiert und dort verarbeitet werden. Zuvor hatten die Ärzt*innen die Brife zwar diktiert, diese waren aber im Anschluss vom medizinischen Schreibdienst niedergeschrieben worden. Kurz nachdem die Enführung in dem Betrieb beschlossen wurde, wandte sich die Arbeitgeberin an den Betriebsrat und teilte diesem mit, dass man ca. die Hälfte der im Schreibdienst beschäftigten Arbeitnehmer*innen beabsichtige. Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin daraufhin zu Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan auf. Dies lehnte die Arbeitgeberin mit Verweis auf die aus ihrer Sicht geringe Anzahl an betroffenen Arbeitnehmer*innen ab. Der Betriebsrat leitete daraufhin ein Verfahren zur Einsetzung der Einigungsstelle vor dem Arbeitgsgericht Leipzig ein - und obsiegte.
Entscheidung des Arbeitsgerichts
Das Arbeitsgericht Leipzig gab dem Antrag des Betriebsrats statt.
Das Gericht ging davon aus, dass die Eingiungsstelle auf Grundlage von § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG (Einschränkung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen), § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG (grundlegende Änderung der Betriebsorganisation) und § 111 S. 3 Nr. 5 (Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren) zu errichten sei.
Insbesondere das Vorliegen einer Betriebsänderung gem. § 111 S. 3 Nr. 5 BetrVG hielt das Arbeitsgericht für möglich. Eine Arbeitsmethode bezeichne die jeweilige Art, die Arbeit systematisch abzuwickeln. Es sei auf der Grundlage der personellen, räumlichen, technischen und sonstigen bedeutsamen Gegebenheiten und Möglichkeiten entwickelte Modell des Ablaufs derjenigen Arbeit, die zur Erfüllung der gestellten Aufgabe geleistet werden muss. Hierunter fielen insbesondere auch technologische Veränderungen wie der Einsatz von Systemen, die mittels künstlicher Intelligenz betrieben werden. Die Regelung des § 111 S. 3 Nr. 5 BetrVG setze eine grundlegend neue Arbeitsmethode voraus, die die bisherigen ersetze oder neben diesen eingesetzt werde. Die Beurteilung richte sich nicht nach der allgemeinen technischen Entwicklung, sondern nach den konkreten Verhältnissen des jeweiligen Betriebs. Grundlegend sei die neue Arbeitsmethode u.a. dann, wenn sie sich auf eine größere Anzahl an Arbeitnehmer*innen auswirke oder sich aus ihr erhebliche Auwirkungen auf die Arbeitnehmer*innen ergäben.
Diese Voraussetzungen sah das Gericht als gegeben an: Die Arbeitgeberin beabsichtige durch den Einsatz der Software, große Teile der "analogen" Tätigkeit des Schreibdienstes durch eine technologische Lösung zu ersetzen und so den bisherigen Arbeitsablauf zu verändern. Ein Großteil der Aufgaben des Schreibdienstes werde zukünftig von den Ärzt*innen selbst bzw. durch die Software erledigt.
Diese Veränderung sei auch grundlegend, da sie Auswirkungen auf eine Vielzahl von Arbeitnehmer*innen habe. Die Arbeitnehmer*innen des Schreibdienstes seien unstreitig von einem Personalabbau in nicht unerheblichen Umfang betroffen. Die beabsichtigten Entlassungen seien unmittelbarer Ausfluss der neuen Arbeitsmethode und stellten einen wesentlichen Nachteil für die Betroffenen dar. Auf eine Mindestzahl an betroffenen Arbeitnehmer*innen unter Zugrundlegung der Werte des § 17 Abs. 1 KSchG komme es für § 111 S. 3 Nr. 5 BetrVG (im Unterschied zu anderen Regelungen des § 111 BetrVG) nicht an.
Die vom Betriebsrat beantragte Einigungsstelle wurde folglich eingesetzt.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
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